Die Kraft der Hoffnung

 

Musica Bayreuth 2021: Exzeptionelles Nachtkonzert mit dem Ensemble Kontraste und Olivier Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“

 

 

 

Musica Bayreuth 2021: Ensemble Kontraste in der Stadtkirche mit Olivier Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“
Im Dunkel der Stadtkirche, im Licht des wabernden Kosmos: Das Ensemble Kontraste - Fotos: Harbach

 Am Ende war Stille. Einfach nur Stille. Kein Räuspern, kein Husten – nichts. Selbst die Kanzleistraße draußen gab in diesem Moment keinen Laut von sich. Es war, als ob sich Raum und Zeit verflüchtigt hätten. In solch‘ Ruhe sitzt man selten. Schlichtweg beeindruckend. Entsprechend dann der aufbrandende Applaus in der Stadtkirche.

 

Leider hielt sich die Anzahl der Besucher in Grenzen; diese Aufführung Olivier Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“ hätte zweifellos mehr Publikum verdient gehabt. Nicht nur, weil hier ein großartiges, viel zu selten gespieltes Werk zu hören war, sondern auch, weil das auf Einladung der Musica Bayreuth gastierende Ensemble Kontraste eine wirklich brillante Interpretation ablieferte. Denn Jessica Hartlieb (Violine), Ariel Barnes (Cello), Günter Voit (Klarinette) sowie Stefan Danhof (Klavier) verstanden es, die Musik Messiaens unmittelbar erlebbar zu machen. Was dazu führte, dass das Konstrukt dieses sich an die Johannes-Offenbarung anlehnenden Werkes völlig in den Hintergrund trat; die Musik Messiaens erklärte sich auf wunderbare Weise selbst. Messiaens Gedankenwelt, gern als „verkopft“ dargestellt, wurde auf diese Weise nachvollziehbar. Wie auch die Hinweise, die die Satzbezeichnungen liefern, plötzlich obsolet waren. Weil man quasi intuitiv verstand. Das muntere Vogelgezwitscher im dritten Satz, beispielsweise, - was für ein stimmiges Bild für die göttliche Schöpfung! - Oder das von Barnes und Danhof brillant dargebotene Duett Cello und Klavier – ja, da stand die Zeit wirklich still. - Oder das scharf in das Kirchenschiff schneidende Unisono aller vier Instrumente im sechsten Satz – was für ein Fanal! Und dann natürlich dieser unglaublich berührende Schlusssatz. In dem sich die irdischen Ordnungsprinzipien der Musik aufzulösen und im irisierenden Spiel der Geige in den Zustand der Transzendenz überzugehen scheinen. Schlicht atemberaubend.

 

Zu Hilfe kam den vier im Chorraum der Stadtkirche platzierten Musikern dabei auch die speziellen akustischen Verhältnisse in der Stadtkirche; denn der sonst so oft als problematisch empfundene Nachhall setzte in diesem Fall noch zusätzlich Energien frei. Etwa bei langanhaltende Tönen, egal ob sie nun aus dem Pianissimo ins Fortissimo gezogen wurden oder - anderes herum - im Hauch des gerade noch Wahrnehmbaren im Kirchenschiff zu kreisen schienen.

 

Kurz, die Intensität, mit der hier musiziert wurde, mit der hier den Erlösungsvisionen Messiaens nachgespürt wurde, war zutiefst eindrucksvoll. Die Ruhe, die Gelassenheit, die Energie dieses Werkes waren gleichsam mit den Händen zu greifen. Diese Musik ist eine, die den Begriff Hoffnung in eine andere Dimension hebt. Eine Dimension, die Mut macht und Kraft gibt, vor allem dann, wenn sich das Leben von der ganz anderen Seite zeigt. Dieses herausgearbeitet, dieses verständlich gemacht zu haben, das war die eigentliche Leistung des Ensembles Kontraste. Eine Leistung, vor der man nur tief den Hut ziehen kann.

 

Die aufwändig gestaltete Videoinstallation Christoph Brechs - im Rücken des Quartetts auf einer großen Leinwand ablaufend – wäre angesichts der Klarheit, mit der die vier Musiker Messiaens Vision vom Ende der Zeit hörbar machten, eigentlich nicht vonnöten gewesen. Zumal, da zu Beginn des Konzerts auch noch die fast schon als bizarr zu bezeichnende Entstehungsgeschichte dieses Werkes kurz referiert wurde. Und man dazu dann seine eigenen Bilder im Kopf hatte. Die vielleicht nicht ganz so rund, so durchdacht waren, wie die mit Bedacht angefertigten Bildsequenzen, die es auf der Leinwand zu sehen gab, aber dafür auch nach dem Konzert noch Bestand hatten.

 

Was wiederum die Frage aufwirft, ob solche Bild-, beziehungsweise, Videoinstallationen in Konzerten nicht kontraproduktiv sind? Weil sie vom Eigentlichen ablenken. Nämlich der Musik. Wobei man Brechs Arbeit zugutehalten muss, dass sich diese, abhold jeder Aufdringlichkeit, dezent im Hintergrund hielt. Auf die außergewöhnliche Qualität des Konzerts hatte sie daher keinen Einfluss.

 

 

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