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Musica Bayreuth 2021: Das Kaiser Quartett, ein Ensemble, das kreativ Brücken baut

 

Musica Bayreuth 2021: Konzert mit dem Kaiser Quartett im Brausaal des Liebesbier      Fotos: Harbach
Musica Bayreuth: Das Kaiser Quartett - Adam Zolynski, Jansen Folkers, Ingmar Süberkrüb sowie Martin Bentz (v.l.) im Brausaal des Liebesbiers Fotos: Harbach

 Der Einstieg war vehement. Kaum, dass die vier Herren in ihren hellgrau-karierten Anzügen auf der kleinen Bühne im Brausaal des Liebesbieres in Bayreuth Platz genommen hatten, da legten sie auch schon los: Zweite Geige und Bratsche rissen ein hektisch rhythmisches Thema an, das sich dann wie ein Ostinato – nimmt man den Mittelteil aus - durch das ganze Stück zog; die erste Geige legte sich alsbald darüber. Vorzugsweise mit Akzenten, wodurch der gehetzte Charakter dieses Stückes zusätzlich an Farbe gewann. Im kurzen Mittelteil, klassisch als Kontrapunkt gesetzt, dann eine Art Reminiszenz, ein Quartettsatz nämlich, wie man ihn etwa auch bei Brahms erwarten würde. Aus dem wiederum sich das bekannte rhythmische Muster schälte, um dann in einem sich rasch in die Höhe schraubenden Unisono durch alle Stimmen ein abruptes Ende zu finden. Danach war erst einmal Zeit zum Durchschnaufen angesagt - diese musikalische Hetzjagd war nichts für sensible Gemüter. Und eignete sich dennoch hervorragend als Konzerteinstieg, speziell dann, wenn man mit dem Kaiser Quartett vorher noch nicht in Berührung gekommen war.

 

Unter anderem, weil dieser „Stresstest“, so der Titel dieses Stücks, eben nicht nur Weckruf war, sondern zugleich auch Statement. Oder, wenn man so will, Visitenkarte. Denn im Grunde folgen alle Stücke dieses Ensembles einem Aufbau, wie ihn eben auch jener „Stresstest“ aufweist: Bratsche und Cello sorgen für den rhythmischen Unterbau, die erste Geige ist für Melodien und Akzente zuständig, während die zweite Geige Freiheiten genießt, sprich, Rhythmen anreißt, Kontrapunkte setzt oder im Verbund mit der ersten Geige Melodien verstärkt.

 

Auffällig dabei ist, dass diese zumeist einen Hauch Melancholie verbreiten. Die Assoziation Filmmusik liegt da nicht fern. Womit man, nebenbei bemerkt, gar nicht mal verkehrt liegt. Denn Adam Zolynski (Geige), Jansen Folkers (Geige), Ingmar Süberkrüb (Bratsche) sowie Martin Bentz (Cello) haben sich viele Jahre als Studiomusiker betätigt und diverse Filmmusiken mit ihrem Spiel mit zum Leben erweckt.

 

Weshalb sich wohl auch auf dem ersten Album des Quartetts - jenes gab es an diesem Donnerstagabend vorzugsweise zu hören - mit „Chase“ eine Bearbeitung echter Filmmusik findet. Die Vorlage dazu lieferte dazu Giorgio Moroder, genauer gesagt, der entsprechende Titel aus dem Soundtrack des Films „Midnight Express“ aus dem Jahr 1978. Wobei sich das Arrangement, so wies an diesem Abend erklang - die meisten stammen übrigens aus der Feder Süberkrübs -, durchaus Freiheiten gestattet. Da zog man nämlich kurzerhand die Melodie vor – „Auf die warten Sie sonst eine Ewigkeit“, so die Erläuterung im Konzert – und arrangierte sie in leichter Ironie in einem getragenen Intro. Aus dem sich dann der pulsierenden Synth-Rhythmus des Originals im Pizzicato des Cellos schälte. Die Bratsche stieg mit ein – die beiden Geigen webten hier eine Art Klangteppich -, es wurde lauter, Bratsche und Cello trieben in wildem Stakkato, während die Geigen das Thema in großen Bögen und Läufen umspielten. Die Jagd endete schließlich mit einer Art „Fingerschnipsen“ der ersten Geige. Großes Kino für die Ohren inklusive eines leisen ironischen Touches. Was man will mehr?

 

Das Element der Ironie, übrigens, zog sich wie ein roter Faden durch das Programm des Quartetts. Nicht nur Titel wie „Schramm“, „Vorsprung“, „Hausaufgabe“, „Großraumdisko“ oder „Pfingsten“ zeugen davon, nein, auch die Musik der Vier ist ein Beleg dafür, dass sich man sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Denn die negiert konsequent auf bewunderungswürdige Weise die Grenzen zwischen Pop, Disco und Klassik. Und das wiederum ist eine kreative Leistung, die man nicht hoch genug einschätzen kann. Diese Musik baut wahrlich Brücken.

 

Was sich um Übrigen auch im Applaus niederschlug: Da wurde munter gepfiffen und gejubelt; eine Form des Beifallskundgebung, die im klassischen Konzert eher unüblich ist.

 

 

 

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