Musica Bayreuth: Klassik und Filmmusik im Doppelpack mit der Pianistin Elena Gurevich im Cineplex
Ein klassisches Konzert im Kinosaal? – Ja, warum nicht? - Vorausgesetzt, natürlich, diese außergewöhnliche Örtlichkeit ist nicht zufällig gewählt. Denn, rein akustisch gesehen, taugen Plüsch und Teppich wenig, wenn es gilt, analoge Klangwelten adäquat zu transportieren. Nimmt man also seitens des Veranstalters so ein Manko bewusst in Kauf, dann muss es dafür gute Gründe geben. Filmmusik wäre so einer.
Oder ein Programm, wie es die Pianistin Elena Gurevich offeriert. „Klassik meets Hollywood“, so nennt sie es und kombiniert darin klassische Klavierliteratur mit bekannter Filmmusik. Eine ebenso charmante wie unterhaltsame Idee. Die zudem geradezu darum bettelt, in einem Kinosaal präsentiert werden zu dürfen. Der Atmosphäre zuliebe. Denn Gurevichs Konzept sieht keine bewegten Bilder vor. Sie setzt allein auf die Musik und die Imaginationskraft ihrer Zuhörer. Kinoatmosphäre hilft da ungemein. So etwa muss Gurevich nicht groß ausholen, um zu erklären, wie ihr Konzert funktioniert, denn das Kino im Kopf hat bereits begonnen.
In Gedanken ist sie daher schon unterwegs, die kleine weiße Feder, wenn Gurevich sich an den Flügel setzt und die ersten Töne des Intros zu „Forrest Gump“ durch den Raum flirren. Die Bilder im Kopf reichen. Und dann schwebt sie unwiderruflich ein, aus dem Himmel kommend, über die kleine Parkanlage hinweg. Vom Wind mal dorthin und mal dorthin getrieben, um dann schließlich über eine Straße zu gleiten. Für einen Moment hat es den Anschein, als ob sie auf der Schulter eines Mannes Halt fände, doch Sekunden später ist sie wieder unterwegs. Sie schaukelt sich sanft über ein fahrendes Auto, unterquert ein Zweites, um sich schließlich zwischen einem Paar strapazierter Turnschuhen niederzulassen. Und da liegt sie dann. Zwischen den Füßen Forrest Gumps.
Und man stellt erstaunt fest, dass es nicht unbedingt ein Orchester braucht, um diesen wundersamen Flug zu illustrieren. Ein liebevoll gestreichelter Flügel tut es auch. Traummusik, eben. Genauer gesagt, eine Melodie, die zum Träumen einlädt. Wie Mozarts A-Dur Sonate KV 331 eben auch. Der Clou dabei ist, dass Gurevich weder Alan Silvestris Filmintro noch Mozarts Klaviersonate Gewalt antun muss, um einen nahtlosen Übergang zu kreieren; die beiden doch so unterschiedlichen Kompositionen laufen einfach organisch ineinander über. So, als sei das das Natürlichste der Welt.
Ähnlich verblüffend reibungslos funktioniert das übrigens auch bei all den anderen im Doppelpack servierten Häppchen. Ob Rachel Portmans Titelmelodie zu „Chocolat“, Enrico Morricones Musik zu „Cinema Paradiso oder Hans Zimmers eigentlich nur aus einer minimalistischen Tonfolge bestehendes Thema zu „Interstellar“, Gurevich findet dazu mit verblüffender Treffsicherheit ein klassisches Pendant. Wobei sie zusätzlich noch das Kunststück fertigbringt, sich auch dort nur im Kanon der Blockbuster zu bedienen. Wie etwa Franz Liszts berühmter Liebestraum in As-Dur oder Robert Schumanns Carnaval op.9. Den allerdings, verständlicherweise, in Auszügen.
Man muss daher kein Klassik-Experte sein, um diesem Konzert mit großem Vergnügen folgen zu können. Bleibt daher nur zu hoffen, dass Gurevich ihrer kleinen, aber bezaubernden Idee treu bleibt und noch etwas tiefer schürft. Am Material sollte es nicht scheitern, da ist mehr als nur reichlich vorhanden.
Im Bayreuther Cineplex dankte man es ihr im Übrigen mit herzlichem und langanhaltendem Applaus sowie der dringenden Bitte um eine Zugabe. Welcher sie mit Justin Hurwitz‘ berührendem Walzer aus „La La Land“ denn auch prompt nachkam.
Kommentar schreiben