Ein Plädoyer für das Kunstlied

Konzert der Kulturfreunde: Zutiefst beeindruckender Liederabend mit dem Bariton Samuel Hasselhorn und der Pianistin Doriana Tchakarova im Haus Wahnfried

 

Wahnfriedkonzert der Kulturfreunde Bayreuth der Saison 2021/2022: Liederabend mit  dem Bariton Samuel Hasselhorn und der Pianistin Doriana Tchakarova im Haus Wahnfried Fotos: Harbach
Gelassen und souverän im Vortrag: Samuel Hasselhorn und Doriana Tchakarova im Saal des Hauses Wahnfried - Fotos: Harbach

 Ja, er ist schon etwas Besonderes, der so genannte Wahnfried-Flügel, den Richard Wagner 1876 von Steinway geschenkt bekam. Ein wunderbares Instrument, das so ganz anders klingt als die Konzertflügel, die Steinway heute produziert. Weicher, samtener im Klang, von der Mechanik her nicht ganz so schnell und präzise, dafür deutlich romantischer, als das modernen Steinways gemein ist. Groß und laut kann er selbstverständlich auch, die leiseren Töne liegen ihm jedoch mehr. Weshalb er geradezu prädestiniert erscheint, der menschlichen Stimme zur Seite zu stehen.

Wie gut dies funktioniert, war beim ersten der drei Wahnfriedkonzerte, einer neu geschaffenen Konzertreihe der Bayreuther Kulturfreunde eindrücklich zu erleben. Wobei mit dem Bariton Samuel Hasselhorn und der Pianistin Doriana Tchakarova allerdings auch zwei ausgewiesene Könner ihres Fachs in der ehemals guten Stube Richard Wagners zugange waren.

Zu hören gab es den so genannten Kerner-Zyklus Robert Schumanns sowie dessen Vertonung der schauerlichen Legende des Belsatzar, ergänzt durch die Schubert-Ballade „Der Zwerg“ und der berühmten „Litanei auf das Fest Allerseelen“.

Ein eher kurzes und dennoch anspruchsvolles Programm, zumal, wenn man bedenkt, dass Hasselhorn und Tchakarova das selbige an diesem Sonntagabend gleich zweimal gaben. Denn diese Lieder fordern allesamt, abseits ihrer rein technischen Umsetzung, jede Menge Energie und Konzentration. Es gilt jede Menge Stimmungen zu kreieren, unterschiedlichste Stimmungsbilder zu präsentieren und das quasi auf Knopfdruck.

Besonders eindrucksvoll gelang dies den beiden bei den zwölf Gedichten Justinus Kerners, die Schumann 1840 in einen Zyklus bündelte und vertonte. Zwölf eigenständige Lieder, die lose von der Thematik des Wanderns zusammengehalten werden und in stetem Kontrast zueinanderstehen. Da folgt beispielsweise dem offensichtlich beglückenden physischen Moment des Aufbruchs zu einer Wanderung im Morgengrauen („Wanderung“) eine nach innen gerichtete, von Bitterkeit durchzogene Liebeserklärung („Stille Liebe“). Da werden Launen skizziert, da werden ganze Stimmungspanoramen gemalt – kurz, dieser Liederzyklus gleich einem Kaleidoskop menschlicher Gefühlslagen.

Hasselhorn begegnete dieser Herausforderung mit einer bemerkenswerten Gelassenheit. Mit wohlig-warmem Timbre und erstaunlich wandlungsfähig, was die Klangfarbe seines Baritons betrifft, reihte er souverän Miniatur an Miniatur, bewunderungswürdig klar in Ton und Artikulation. Wobei er in Tchakarova allerdings auch eine Pianistin an seiner Seite hatte, die ihm einen Unterbau zur Verfügung stellte, der nicht nur durchdacht war, sondern eben auf den Punkt genau ausformuliert wirkte. Kurz, dem Zufall blieb hier nichts überlassen.

Diese Sicherheit und Klarheit im Vortrag zeichnete auch die Darbietung der Schubertballade „Der Zwerg“ (D771) sowie der Schumannschen Vertonung der Legende des „Belsatzar“ (op. 57) aus, gleichwohl die Spannungsbögen hier um einiges größer sind, als bei den zuvor gehörten Liedern. Die Leichtigkeit, mit der Hasselhorn und Tchakarova hier dicht Atmosphäre schufen, war schlicht frappierend.

Der Schlusspunkt dieses Konzert, Franz Schuberts „Litanei auf das Fest aller Seelen“, D 343, toppte allerdings in dieser Hinsicht alles Vorangegangene. Denn Hasselhorn und Tchakarova machten aus diesem betont schlicht gehaltenen Bittgebet einen Friedenshymnus. Dieses Stück Musik ging wirklich unter die Haut, insbesondere, wenn man jenes Lied in Kontext zu der nach wie vor ebenso unfassbaren wie schrecklichen Situation in der Ukraine setzt. Kein Wunder, dass nach dem abschließenden Es-Dur-Akkord der Applaus für etliche Sekunden ausblieb, um dann umso heftiger auf die beiden Musiker einzuprasseln.

Ein bewegender Abend und so natürlich auch ein echtes Plädoyer für das Kunstlied. Mehr davon!

 

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