Im Zeichen der Fuge

 

Konzert der Kulturfreunde: Durchdacht und brillant vorgetragen – ein Kammermusikabend der Extraklasse mit der Pianistin Claire Huangci und dem Minguet Quartett

 

Kulturfreunde Bayreuth - Elftes Abonnementkonzert - Das Minguet Quartett und die Pianistin Claire Huangci im Europasaal des Zentrums  - Fotos: Harbach
Brillant und zwingend im Spiel: die Pianistin Claire Huangci und das Minguet Quartet im Europasaal des Zentrums - Fotos: Harbach

 

Die Fuge. Eine musikalische Spielform, die sich Anfang des 17. Jahrhunderts entwickelte, langsam etablierte und bis heute zelebriert wird. Ihr Reiz liegt darin, dass sie in einzigartiger Weise Kreativität und musikalisches Handwerk kombiniert. Ähnlich wie beim Schachspiel ergeben sich aus klar formulierten Vorgaben eine Unzahl von Möglichkeiten, Musik zu formulieren.

 

Johann Sebastian Bach war darin unbestritten ein Meister. Sein großer Verdienst beruht jedoch vor allem auf der Tatsache, dass er seine Beschäftigung mit dieser musikalischen Form in einer Art Nachschlagewerk festgehalten hat. „Die Kunst der Fuge“ ist daher vom Charakter eher ein Handbuch mit Übungsaufgaben, denn eine Komposition, die für den öffentlichen Vortrag notiert wurde. Was Bach jedoch nicht gehindert hat, seine Musterbeispiele adäquat zu präsentieren. „Zitiert“ man nun aus diesem Werk, macht es Sinn, das Hauptthema vorzustellen. Ein Konzert damit zu beginnen, ist mutig, denn der „Contrapunktus 1“ kommt doch recht nüchtern daher. Da ist seitens des Zuhörers Konzentration, da ist Aufmerksamkeit gefragt, da ist keine Zeit, sich einzuhören. Ein zwingender Vortrag ist da gefragt – und das Minguet Quartett lieferte, wie zu erwarten, bei seinem Bayreuther Gastspiel im Europassaal des Zentrums entsprechend. Nämlich auf den Punkt genau. Ulrich Isfort (Violine), Annette Reisinger (Violine), Aida-Carmen Soanea (Viola) und Matthias Diener (Violoncello) pflegen, das war schon nach diesen ersten drei Minuten des Konzertabends klar, einen eher intellektuellen Zugang zur Musik. Klarheit im Ausdruck, unbedingte Präzision und ein immer wieder überraschender Blick für Details - das zeichnete das Spiel dieses Quartetts aus.

 

Attribute, die auch die Pianistin Claire Huangci für sich in Anspruch nehmen kann. Gleichwohl Feruccio Busonis Bearbeitung der berühmten Toccata d-moll eher zur Kategorie Schaustück zu zählen ist. Denn intellektuell herausfordernd ist dieses Arrangement nicht unbedingt. Dafür technisch hundsgemein. Zugleich erfordert es Mut zu Bombast. Was wiederum nicht so ganz zu diesem Abend passte. Und so verblasste dieser Programmpunkt, obgleich von Huangci mit Verve vorgetragen, angesichts der Invention Sofia Gubaidulinas sowie Bachs Contrapunktus 6 relativ schnell im Gedächtnis.

 

Dafür nahm dann dort das erste Streichquartett Gubaidulinas Platz. 1971 entstanden und ganz und gar eigen, was Format und Konstruktion anbetrifft. Ein Gegenentwurf zu Bachs Fugenwelt. Denn dieses Werk fährt sich - bildlich gesprochen - selbst gegen die Wand. Es driftet quasi auseinander, zerfließt förmlich und zerlegt sich in Einzelteile. Das ist nicht schön anzuhören, beschreibt aber auf eindringlichste Weise die Einsamkeit, in der sich Gubaidulina damals befunden haben muss. Eine in Musik gegossene Lebenskrise, wenn man so will. Eigentlich eine Zumutung, sowohl für Ausführende als auch Zuhörer. Andererseits in seiner rigorosen Unbedingtheit ein faszinierendes Stück Musik. Und für das Minguet Quartett bestimmt keine einfache Übung, aber hoch konzentriert mit Bravour dargeboten.

 

Im Kontrast dazu wirkte der nach der Pause servierte „Contrapunktus 9“ – diesmal in einer Version für Streichquartett und Klavier – geradezu ernüchternd. Als ob Feuer auf Eis träfe.

 

Robert Schumanns Klavierquintett in Es-Dur op.44 kam daher eine einordnende, eine versöhnliche Funktion zu. Denn all die Emotionalität, die Leidenschaft, ja, sogar die Depression, die diesem Werk zu Eigen ist, schlägt niemals über; die Ordnungsprinzipien lösen sich nicht auf. Und genau das spiegelte auch die Interpretation Claire Huangcis und des Minguet Quartetts wider. Das Ergebnis war ein durch und durch kompaktes Klangbild, durchdacht und doch mit Feuer dargereicht. Und da kam dann auch die ganze Klasse des Klavierspiels Huangcis zum Tragen. Wie sie den Klang des Flügels in den Quartettsatz einbrachte, das war phänomenal. Unaufdringlich, aber stets präsent, einfach ein Genuss!

 

Langer, herzlicher Applaus, dem Huangci und ihre Mitstreiter nochmals den vierten Satz des soeben gehörten Quintetts folgen ließen. Natürlich nicht zur Gänze; man beschränkte sich auf die das Quintett beschließende Doppelfuge. Und setzte so das I-Tüpfelchen auf einen brillanten, ganz im Zeichen der Fuge stehenden Konzertabend.

 

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