Psyche auf Höllenfahrt

 

Musica Bayreuth: Gastspiel der Gluck-Festspiele mit Glucks „Alceste“ in der Urfassung im Markgräflichen Opernhaus

 

Musica Bayreuth 2022 - Gastspiel der Gluck-Festspiele mit Christoph Willibald Glucks Oper Alceste in der italienischen Urfassung im Markgräflichen Operhaus in Bayreuth - Fotos: Harbach
Einfach nur großartig - Anna Kasyan als Alceste in Christoph Willibald Glucks gleichnamiger Oper - Fotos: Harbach

Irgendwann, die Ouvertüre war schon etwas gediehen, da ertappte man sich bei einem Gedanken: Wie wäre es wohl gewesen, wenn Christoph Willibald Glucks „Alceste“ hier in Bayreuth, hier im Markgräflichen Opernhaus, ihre Uraufführung erlebt hätte? Also, Bayreuth statt Wien? Hätte man hier in Bayreuth auch ein groteskes Ballett angehängt, um die Zuschauer der Uraufführung vor zu hoher Nervenbelastung zu schützen? - Man weiß es nicht, die Zeit, in der Bayreuth den Rang eines kulturellen Hotspot innehatte, lag 1767 schon rund zehn Jahre zurück.

Umso schöner, dass es nun doch mit Glucks „Alceste“ in Bayreuth, im Markgräflichen Opernhaus geklappt hat. Und dazu noch in der selten zu erlebenden italienischen Urfassung. Zu sehen gab es eine aktuelle Produktion des J. K. Tyl Theaters in Pilsen. Im Orchestergraben saß das dort beheimatete Opernorchester, oben auf der Bühne tummelten sich der Chor sowie einige Solisten aus dem kleinen Ensemble des DJKTs. Auch die Requisiten sowie die Kostüme entstammten dieser Produktion. Leider nicht im Gepäck: das dazugehörige Bühnenbild. Es wäre wohl zu viel des Aufwands gewesen, die prachtvolle barocke Schauarchitektur auf der Opernhausbühne zu entfernen. Weshalb man seitens des Produktionsteam kurzerhand auf das Medium Licht zurückgriff. Ein brillanter Schachzug, zumal das frisch restaurierte Opernhaus über beachtliche technische Möglichkeiten verfügt. Das Licht (Jakub Sloup) schuf daher Räume und das tat es dezent und ganz exquisit. Der Fokus dieser Aufführung lag daher ganz auf dem Gesang und Spiel der Protagonisten sowie in der Musik.

Um es vorweg zu nehmen, das Konzept überzeugte. Zum einen, weil das DJKT-Orchester unter der akribischen Leitung Michael Hofstetters nicht nur sehr präzise formulierte, sondern auch höchst lebendig die großen Gefühle auf der Bühne mittrug. Da schluchzte, da raunte, da wisperte es aus dem Orchestergraben, da wurde das Orchester zum Protagonisten. Großartig!

Zum anderen, weil mit Anna Kasyan eine Alceste zur Verfügung stand, vor deren Leistung man nur tief den Hut ziehen kann. Denn das Dilemma, in das sich Alceste manövriert - sie tauscht ihr Leben gegen das ihres totkranken Mannes, um diesen zu retten -, und die daraus resultierende emotionale Achterbahnfahrt ist sowohl sängerisch als auch darstellerisch eine einzige Herausforderung. In der nur besteht, der „all in“ geht. Und exakt das tat Kasyan. Wirklich beeindruckend.

Leider agierte Khanyiso Gwenxane - er gab Alcestes Ehemann, König Admeto - nicht auf diesem Niveau. Dafür brillierte Aco Bišćević in der Rolle des Evandro, des Vertrauten König Admetos. Ein außerordentlich elegant und leichtfüßig geführter, hoher Tenor. Seine Auftritte, nicht zuletzt auch das Duett mit Markéta Klaudová als Ismene, der Vertrauten Alcestes, waren Genuss pur.

Ein großes Lob gebührt auch dem in schlichte zeitlose Kostüme (Eva Hliněnská) gewandeten Chor. Denn die Damen und Herren des Theater Pilsen waren hochpräsent und illustrierten und kommentierten ebenso präzise wie farbenreich das Geschehen auf der Bühne.

Kein Wunder daher, dass diese Aufführung im Markgräflichen Opernhaus seitens des Publikums begeistert gefeiert wurde.

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