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Porträt eines Verzweifelten

Musica Bayreuth: Wild und spektakulär – „Beethoven! The Next Level“ auf der Kulturbühne im Reichshof

Musica Bayreuth 2022 - "Beethoven! The Next  Level" mit Khaled Chaabi als Beethoven auf der Kulturbühne im Reichshof in Bayreuth - Fotos: Harbach
Und die Welt steht wieder einmal Kopf - Khaled Chaabi als Beethoven in "Beethoven! The Next Level" - Fotos: Harbach

 

Eines gleich mal vorneweg: So viele junge Gesichter bei einem Konzert einer Veranstaltungsreihe, die eher der klassischen Kultur zugerechnet wird, das hat man selten. Schön! – Es hat also, wie erhofft, geklappt - „Beethoven! The Next Level“ hat auch in Bayreuth sein Publikum gefunden. Die Frage nach dem Warum ist leicht zu beantworten. Denn „Beethoven! The Next Level“ erklärt sich quasi selbst; es reichen die drei Schlagwörter Beethoven, Breakdance, Beats.

Das hört und liest sich zunächst verwegen, funktioniert aber famos, wie Christoph Hagel, Mastermind und künstlerischer Leiter dieser Produktion, mit „Flying Bach“ und „Breakin’ Mozart“ bereits zweimal eindrucksvoll bewiesen hat. Denn letztlich geht es um Energie, genauer gesagt, um den Transport der Energie von der Bühne herab ins Auditorium. Und da kann „Beethoven! The Next Level“, wie man am Samstagabend im Reichshof erleben konnte, wahrlich aus dem Vollen schöpfen.

Die Geschichte, die die zehn jungen Tänzer und Tänzerinnen dort in teils akrobatischer Manier auf die schon etwas knapp bemessene Bühne hieven, ist einfach und anspruchsvoll zugleich. Gezeigt wird laut Programm „ein Psychogramm Ludwig van Beethovens“. Für das man sich 70 Minuten Zeit gibt. Dass man das eigentlich so nicht postulieren kann, ist klar. Dass es dennoch funktioniert, macht den Reiz dieser Produktion aus. Was aber auch daran liegt, dass man sich, was die Dramaturgie (Yui Kawaguchi) betrifft, konsequent an den Grundsatz „Keep it simple“ gehalten hat. Letztendlich werden nur drei Themenkomplexe im Leben Beethovens angerissen: Sein schleichender Hörverlust, seine Vereinsamung sowie, damit eingehend, seine unerfüllte Sehnsucht nach Liebe.

Die Bilder, die Choreographien, die man dafür kreierte, waren ausdrucksstark und vor allem eines: energiegeladen. Gleiches lässt sich im Übrigen auch über Beethovens Musik sagen. Und da fuhr Hagel groß auf: Die „Appassionata“, die „Mondscheinsonate“, die ultimative Opus 111, „Für Elise“ sowie seine Symphonien drei, sieben und neun. Also Beethovens Weltmusik, grob gesagt. Mit Ausnahme der „Appassionata“, die Hagel live, in Gänze und nicht unbedingt souverän vortrug, natürlich nur in Auszügen. Dafür gerne auch mal gekonnt mit Popsounds und Elektrobeats unterlegt. Crossover in Reinkultur.

Und das gab es auch auf der Bühne zu sehen. Hier der ganz in der Welt des Breakdance verwurzelte Khaled Chaabi – er stellt Beethoven dar – und dort Naomi Uji, eine klassisch ausgebildete Balletttänzerin. Sie brachte nicht nur, im wörtlichen Sinne, kostümbedingt Farbe ins Leben dieses Beethovens, sondern stand zugleich auch für seine unerfüllte Sehnsucht nach der idealen Liebe. Ein Kontrast wie aus dem Bilderbuch: Hier die sanfte, sich sicher in ihrem klassischen Bewegungskanon bewegende Uji, dort der stets mit sich hadernder, mit sich selbst ringende Chaabi. Hier sanfte Beharrlichkeit, dort Wut auf sich selbst. Gepaart mit der Unfähigkeit, konstruktiv mit der Welt um sich herum zu kommunizieren.

Um das zu verstehen, hätte es im Übrigen keinerlei Hinweise gebraucht; die Choreografie fand dafür durchgängig beeindruckend stimmige Bilder, beziehungsweise, stimmige Tableaus. Wie auch sich die Stilelemente des Breakdance wunderbar dazu eignen, der Einsamkeit, der unterdrückten Wut, der Verzweiflung Beethovens, aber auch dem Unverständnis seiner Mitmenschen, die in ihm einen Sonderling sahen, unmissverständlich Gestalt zu verleihen.

Kein Wunder daher, dass Tänzerinnen und Tänzer mehrfach Szenenapplaus einfuhren und sich am Ende eines begeistert stehend applaudierenden Publikums gegenübersahen.

 

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