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Musica Bayreuth 2021: Duel "Opus 3"- ein Abend der Poesie und herrlich absurder Komik

Musica Bayreuth 2021: Nathalie Miravette und Laurent Cirade mit Duel "Opus 3" in der Panzerhalle      Fotos: Harbach
Musica Bayreuth: Mit Tempo durch das Best-of der Beatles - Nathalie Miravette und Laurent Cirade in der Panzerhalle - Foto: Harbach

 

Unscheinbar wie ein verschüchtertes Mäuschen huscht sie auf die Bühne. Bittet das Publikum stumm, aber mit großen Augen flehentlich um Geduld. Um dann schon mal ein Duett – so steht’s deutlich auf den Noten – auf das Pult des Flügels aufzulegen. Von ihm noch keine Spur. Sie schlägt ein paar Töne an - aus dem „Karneval der Tiere“ von Camille Saint Saens -, aber der Schwan ist weder zu hören, noch in Sicht. Erbost lässt sie den Flügel Flügel sein und verschwindet wieder im Off. Ein kurzer, unverständlicher Disput und er taucht auf. In ihrem Schlepptau, wohlgemerkt, mit Cello und in Unterhosen. Säße man nicht in Bayreuth in der Panzerhalle, man hätte sich an diesem Donnerstagabend auch im Zirkus wähnen können. - Manege frei für die Clowns! – Denn was, was die Pianistin Nathalie Miravette und der Cellist Laurent Cirade in dieser grauen Halle auf schwarz verhängter Bühne zeigten, hatte exakt diese Qualität.

 

Wobei die beiden eher zu den leisen, zu den poetischen Vertretern dieser Spezies gehören. Explizit sprechen müssen sie nicht, denn ihre Geschichten kreisen um Musik und die Probleme, die entstehen, wenn ein höchst ungleiches Paar zusammen musizieren will. Er, etwa, besteht auf Bach, sie steht mehr auf Boogie Woogie; er gibt den Pascha, sie den dummen August. Am Ende dieser Auseinandersetzung hat er sich einen Finger am Notenpult geklemmt und sie dafür einen Teil ihres Kleides eingebüßt. Der Schwan kommt dennoch nicht ins Schwimmen, die G-Saite des Cellos verweigert weiterhin beharrlich ihren Dienst. Weshalb das Cello schließlich auf dem Operationstisch landet.

 

Dies alles kommt höchst possierlich daher, desgleichen die unkonventionellen Lösungen, die die beiden für ihre jeweiligen Probleme finden. Zwischendurch wird übrigens auch musiziert, eine Stimme aus dem Off ruft diverse „Rennen“ aus. Die Startprozedur ist ausgefeilt, die dargebotenen Medleys ebenso. Im Schnelldurchlauf geht es zunächst durch das Best-of der Beatles, dann der Rolling Stones sowie Michael Jacksons. Sinn machen diese scheinbar willkürlich angesetzten Hetzjagden natürlich nicht, komisch sind sie allemal.

 

Darüber hinaus sind sie aber auch ein Indiz für das, was dieses Programm zusammenhält, nämlich das Absurde. Nichts geht hier seinen erwarteten Gang, selbst die Musik bietet keinen Halt, geschweige denn Orientierung. Die Einheit aus Zeit, Ort und Handlung ist quasi aufgelöst. So geht etwa Claude Debussy’s „Clair de Lune“ in John Lennons „Imagine“ auf und diese Friedenshymne dann wiederum im Lärm von Marschtritten und dem heiseren Gebell Adolf Hitlers unter. Worauf Miravette und Cirade hektisch herumliegende Notenblätter einsammeln und durch einen Aktenvernichter ziehen. Voilà, die verräterische Musik ist entsorgt! Und wird sogleich, der Alptraum ist kaum abgezogen, mit Astor Piazzollas „Libertango“ wiederbelebt. Worauf die beiden auf der Bühne auf einmal aneinander – Tango, schon klar! - Gefallen finden. Und sich sodann mit Franz Liszts „Liebestraum“, No.3 der großen Ekstase hingeben. In deren Verlauf sie von der Bühne verschwindet, er aufwacht, einen – sic! - Traum realisiert und dann trotzdem verzweifelt seine kleine Copine sucht.

 

Mit Comedy hat das nichts mehr zu tun, das ist absurdes Musiktheater in Reinkultur. Und, nebenbei bemerkt, herrlich anzusehen, weil wirklich gut gemacht. Als Zuschauer muss man sich allerdings darauf einlassen, seinen eigenen Reim darauf machen. Doch wer das tut, für den ist dieses Duel „Opus 3“ ein ebenso poetischer wie wundervoller Spaß. Feine Unterhaltung, eben.

 

In Bayreuth dankte man es den beiden mit einem kurzen, aber heftigen Applaus.

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