„Über uns ist der Himmel immer blau“

 

Auf Spazierfahrt mit der Musica Bayreuth: Impressionen eines ebenso launigen wie besinnlichen Nachmittags in Kulmbach

 

Musica Bayreuth 2021: Musikalische Spazierfahrt nach Kulmbac, Pfarrkirche Mangersreuth, Petrikirche, Schlosskapelle Plassenburg - Orgelkonzerte - Fotos: Scharf
Eine bemerkenswerte Kirche, deren Besuch definitiv lohnt: Die Pfarrkirche zu Mangersreuth - Fotos: Scharf

 

Nein, eigentlich ist sie nicht zu übersehen, die Pfarrkirche in Mangersreuth. Wer über die B85 von Bayreuth kommend nach Kulmbach einfährt, dem zwinkert sie zu. Mit der schwarz beplankten Kirchturmspitze. Viel nutzt er nicht, der Wink, angesichts der nahenden Stadt: An Mangersreuth und seiner Kirche fährt man, die Bundesstraße will es so, in der Regel vorbei. Dabei lohnt der Besuch. Weshalb die diesjährige musikalische Spazierfahrt der Musica Bayreuth an diesem Samstagnachmittag just hier ihren Anfang nahm.

 

Rein äußerlich gibt sich dieses Gotteshaus unspektakulär. Doch wer es zum ersten Mal betritt, stutzt. Denn hier geht man nicht - nein, man steigt hinein. Über gleich mehrere Stufen geht es hinab.

 

Drinnen, kühler Steinboden und eine in tiefem Blau strahlende Motiv-Holzdecke, Kategorie Besonderheit. Eigentlich ein Kompromiss, denn für Zierrat wie Stuck und Goldbeschlag war beim Wiederaufbau der mehrmalig abgebrannten Kirche im frühen 18. Jahrhundert kein Geld da. Ein Glück, findet Pfarrerin Bettina Weber bei ihrem in die Historie der Kirche einführenden Kurzreferat. Man kann ihr nur beipflichten. Denn das Himmelsgewölbe, in dessen Mitte ein Strahlenkranz mit goldenem Dreieck und dem Gottesnamen „Jahwe“ leuchtet, bannt das Auge. Genau wie der Kanzelaltar. Auch der fällt auf. Zum einen ob seiner meisterhaft ausgeführten Schnitzereien – er stammt aus der Werkstatt Elias Räntz -, zum anderen ob seiner Positionierung. Kategorie eigenwillig. Denn er steht nicht mittig, sondern leicht seitlich versetzt.

 

Auch die Orgel der Pfarrkirche ist ein Sonderfall; 1886 wurde sie von der Firma Wolf auf die Empore gesetzt und entgegen dem damaligen Trend zunächst nicht auf barock getrimmt. Das holte man allerdings später nach, um sie dann noch einmal umzubauen. Dieses Mal, um sie wieder in den ursprünglichen Zustand zurück zu versetzen.

 

Organist Rainer Grampp informiert wissend und umfassend und hat mit Werken von Johann Staden (1581-1634) und Johann Krieger (1651-1735) auch gut ausgewählte Hörbeispiele parat, um die Möglichkeiten dieser Orgel adäquat vorführen zu können. Und so staunt man alsbald über den ebenso mächtigen wie modernen Klang dieses Instruments sowie über die leider viel zu selten zu hörenden Toccaten, Fugen und Präludien der fränkischen Orgelgötter Staden und Krieger. Nach einer guten halben Stunde ist es mit der besinnlichen Orgelmusik vorbei – Kulmbach ruft.

 

Genauer gesagt, der dortige Rathausplatz. Cafés und Restaurants rechts und links, hüben und drüben. Und an diesem Kaiserwettersamstag auch gut besucht. Zumeist wird Eis gelöffelt. Bis der Bus der Bayreuth Tigers vorfährt. Da wird es still an den Tischen, die Hälse recken sich. Fragezeichen allerorten, dann Murmeln und Erheiterung; keine Eishockeycracks, die Musica Bayreuth hält Einzug in Kulmbach.

 

Treppauf, treppab - mit dem Landsknecht auf Stadtrundgang durch Kulmbach

 

Erstaunlich! - Das Rinderhorn, das vor Stadtführer Erich Olbrichs Brust baumelt, ist nicht nur Dekoration. Ein tiefer Atemzug, die Lippen gespitzt und schon schallt sein Ruf weithin über dem Platz. Und treibt sie zusammen, die in losen Grüppchen verteilten Bayreuther. Auf sie hat Olbrich nun gut eine Stunde lang ein wachsames Auge. Weshalb er sich sogleich nach der Verständlichkeit seines kulmbacherischen Idioms erkundigt. – Alles in Ordnung, bedeutet man ihm. Worauf er mit seinen Schäfchen sogleich „a Eggala weida“ zieht.

 

Treppauf, treppab: Landsknecht Olbrich kennt sein Kulmbach aus dem Effeff. Und ist dazu noch gut in Kondition. Seinen Bayreuther Gästen empfiehlt er stets besorgt den Schatten, er selbst stellt sich vorzugsweise in die vom Himmel bratende Sonne. Von Kulmbacher Kobolden erzählt er, von den Querelen um den so genannten Amtshof, einer Dependance des Zisterzienser Kloster Langheim und dem großherzigen Wirken der Markgrafentochter Christiane Sophie Wilhelmine, die hier im Prinzessinnenhaus die väterliche Verbannung absaß. Nebenbei erfährt man, was es mit dem Henkersgruß und dem Badehaus auf sich hat und warum durch Kulmbach ein Kohlenbach fließt.

 

„Nuch a Eggala weida“ – die Petrikirche wartet schon. Und damit das nächste Teilkonzert der Musica. Gemeinerweise haben die Kulmbacher davor noch eine an Stufen reiche Barocktreppe platziert. Für Olbrich kein Problem, zudem treibt ihn, wie er fröhlich mitteilt, die Aussicht auf das verdiente Feierabendseidla. Die Bayreuther quittieren die Treppe allerdings mehrheitlich mit einem Stöhnen; Trost bietet allenfalls die zu erwartende Kühle des Kirchenschiffs der Petrikirche.

 

Die Petrikirche - ein iegenwilliger Bau mit mächtiger Orgel

 

Pfarrer Gerhard Bauer empfängt seine Gäste im schwarzen Talar. Zur Geschichte der Kirche will er nichts sagen, dafür trägt er mit wohlklingender Stimme einen Psalm vor. Nun ja. Und übergibt sodann an die Orgel. Die von weit oben, nämlich von der zweiten Empore grüßt. Ein mächtiges Instrument, 50 Register verteilt auf drei Manuale und Pedal, inklusive Schwellwerk. Wolfgang Trottmann, Stadt- und Dekanatskantor an der katholischen Kulmbacher Stadtkirche „Unsere Liebe Frau“, weiß sie vorzüglich in Szene zu setzen. Insbesondere das Premier Kyrie aus der Messe à L’Usage des Couvents von François „Le Grand“ Couperin (1668-1733) lässt aufhorchen, da sich dieses für eine Messe erstaunlich prunklos gehaltene Werk erfrischend munter präsentiert. Und sich zugleich großzügig aus dem umfangreichen Registerfarbkasten der Orgel bedient; Zungenregister satt. Dass diese moderne Rieger-Orgel natürlich auch anders kann, sei auch erwähnt. Trottmann hat hierfür Felix Mendelsohn-Bartholdys Sonate II in c-moll ausgewählt, ein Werk, das zum Orgel-Kernrepertoire zählt und im Reigen der sechs Orgelsonaten Mendelsohn-Bartholdys zu den Beliebtesten gehört. Ein trauriges, nach innen gekehrtes Grave – Trottmann intoniert es wohltuend verhalten -, dann das vor allem bei Hochzeiten gern gewünschte mächtig-feierliche Allegro maestoso e vivace sowie die Fuge, bei deren Thema Johann Peter Abraham Schulz mit seiner Vertonung des Claudius Gedichts „Der Mond ist aufgegangen“ Pate gestanden zu haben scheint. Kurz, ein hoch-romantischer Orgelrausch.

 

Trottmann ist bereits kurze Zeit später wieder vor die Petrikirche anzutreffen; er hat es eilig, auf ihn wartet nun die Wolf-Orgel in der Schlosskappelle der Plassenburg. Dorthin zieht es auch den Tross der Musica Bayreuth. Allein der Weg hinauf zur Burg gestaltet sich schwierig. Nein, nicht für die zwei, drei Herrschaften, die diesen steilen, aber eher kurzen Anstieg zu Fuß bewältigen. Nein, sondern für all die anderen, die sich eigentlich vom Bus hinaufschaukeln lassen wollten. Denn der fährt aus unerfindlichen Gründen nicht. Die einen finden es lustig, die anderen weniger - die Organisatoren packen an: Privatautos im Pendelverkehr. Kurze Zeit später ist das Malheur passé und die Musica auf dem Weg in den oberen Schlosshof. Und dieses Mal im Gefolge des Kastellans und alle zu Fuß. Die Schlosskirche der Plassenburg wartet bereits.

 

Die Schlosskapelle der Plassenburg - eine der raren Querschiffskirchen

 

Die Einführung in die Geschichte dieser Kirche fällt, zeitlich bedingt, knapp aus; bemerkenswert daran ist, dass der Kastellan es dennoch schafft, einen umfassenden Einblick in die Geschehnisse rund um den Bau, die Umbauten sowie Eigenheiten dieses Gotteshauses zu geben.

 

Danach spricht wieder die Orgel. Trottmann hat hierfür eine Toccata Johann Stadens, zwei Magnificat-Bearbeitungen Johann Pachelbels, Charles Avisons Konzert Nr. 4 in c-moll, ein Voluntary Georg Friedrich Händels sowie fünf Variationen Claude Balbastres über das Weihnachtslied „Votre bonté, grand dieu“ vorbereitet, allein die Orgel will ohrenscheinlich nicht so recht. Kein Wunder, wird sie doch vorzugsweise zu Hochzeiten eingesetzt. Und die waren in letzter Zeit kaum geboten. Dennoch, die farbenreiche Registrierung lässt aufhorchen; an das Klappern der Mechanik hat man sich schnell gewöhnt und überhört es forthin geflissentlich.

 

Danach geht es wieder hinaus in die Sonne, in den frühen Abend hinein. Der Bus fährt immer noch nicht, doch das Organisationsteam der Musica hat schnell und effizient für Ersatz gesorgt; im unteren Burghof wartet, so hat es zumindest den Anschein, die gesamte Taxiflotte Kulmbachs. Was für ein Bild!

 

Während die einen nun im Kommunbräu zu Kulmbach den Abend begießen, lassen die anderen bei der Rückfahrt von Kulmbach nach Bayreuth den Tag Revue passieren. Und stellen dabei fest, dass Kulmbach, allen Bayreuther Unkenrufen zum Trotz, definitiv einen Ausflug wert ist. Zumal, wenn er, wie bei dieser musikalischen Spazierfahrt, so reich mit Inhalt gefüllt ist.

 

 

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