Die Magie alter Kirchenmusik

Musica Bayreuth: Ein zutiefst beeindruckendes Klangerlebnis – Tenebrae in der Stadtkirche Bayreuth

Musica Bayreuth 2022 - Der Choir Tenebrae unter Nigel Short beim Konzert mit Gregorianischen Chorälen und englischer Chormusik in der Stadtkirche Bayreuth - Fotos: Dörfler
Unprätentiös im Auftritt, spektakulär im Klang - Das Ensemble Tenebrae unter der Leitung von Nigel Short in der Stadtkirche - Fotos: Dörfler

Klar stiegen die ersten Töne in die lichte Höhe des Kirchenschiffs der Stadtkirche Bayreuth empor. Sie hatten es nicht eilig, denn der Nachhall verlieh ihnen zusätzlich Glanz. Vorne war von den Sängern nichts zu sehen, sie hatten sich knapp vor der Orgelempore im Mittelgang positioniert.

So atmete bereits der Auftakt dieses Konzerts einen Hauch Magie, zumal die Visitenkarte des Tenebrae Choirs, nämlich das „First setting“ John Sheppards „In manus tuas, domine“ gut gewählt war. Denn dieses kleine Meisterwerk war bestens geeignet, die ganze Klasse des kleinen Ensembles hörbar zu machen. Und wie da die einzelnen Stimmen zum Leben erweckt wurden, das ließ einfach nur staunen. Denn sie stiegen quasi aus einer anderen heraus, ohne dass ein Bruch in der Stimmlage hörbar war. Ein Effekt, der etwas von Zauberei hatte. Und zugleich offenbarte, dass sich die fünf Herren und eine Dame ohrenscheinlich gut mit der Akustik in der Stadtkirche arrangiert hatten, sprich, sie für ihre Zwecke zu nutzen wussten.

Das demonstrierten sie auch - dazu begab man sich nun in den Chorraum - in dem sich anschließenden „Pange lingua glorioso“, dem wohl bekanntesten eucharistischen Hymnus. Dieser einstimmiger Gesang, er wird Thomas von Aquin zugeschrieben, verlangt seitens der Ausführenden höchste Konzentration und Präzision. Faszinierend zu erfahren war dabei vor allem, wie die Pausen Wirkung erlangten. Die Ruhe und zugleich die Kraft und Energie, die diese Gesänge verströmen – hier war sie mit Händen zu greifen.

Danach wieder Positionswechsel. Diesmal dorthin, wo gemeinhin ein Chor in der Stadtkirche Aufstellung nimmt: nämlich kurz hinter den Stufen, die das Hauptschiff vom Altar-, beziehungsweise, Chorraum abtrennen. Und dort trat dann auch erstmals Nigel Short als Leiter des Consorts sichtbar in Erscheinung. Denn die folgenden „Lamentationes of Jeremiah“, beide aus der Feder Thomas Tallis‘ stammend, sowie drei weitere liturgische Gesänge absolvierte Tenebrae in klassischer Chorformation. Erstaunlich auch hier, wie akribisch dieses kleine Ensemble Klang generierte. Das Ergebnis war stellenweise schlicht verblüffend. Weil der nunmehr fünfköpfige Chor diese Werke unter der oft nur angedeuteten Führung Shorts nun förmlich inszenierte. Und dabei nicht nur Spotlights setzte, sondern auch noch – die bisweilen kühne Harmonik der „Lamentationes“ lädt dazu ein - dann und wann regelrechte Pointen zu platzieren wusste. Einfach nur großartig.

Doch die eigentliche Pointe servierte Tenebrae erst am Ende des rund einstündigen Konzerts. Da begab man sich, William Blithemans „In pace in idipsum“ intonierend, hinter den Hochaltar, respektive, in die Gruft. Und dann waren sie wieder nur noch zu hören, diese ewig im Raum stehenden Töne, diese Akkorde, die sich wie Blütenknospen öffneten und wieder schlossen.

Ja, alte Kirchenmusik hat ihre ganz eigene Magie. Doch so eindrücklich wie an diesem Abend bekommt man das nur selten vorgeführt. Entsprechend fiel auch die Reaktion im Publikum in der erstaunlich gut besuchten Stadtkirche aus: Begeisterter und vor allem lang anhaltender Applaus, der prompt mit einer kleinen Zugabe belohnt wurde.

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