Bayreuth: Pianist Gwilym Simcock und das Stuttgarter Kammerorchester im Zentrum

Einfach nur mitreißend

Der Pianist Gwilym Simcock und das Stuttgarter Kammerorchester im Zentrum: Ein beglückender, teilweise sogar berauschender Abend.

Nicht nur ein begnadeter Pianist, sondern auch ein wunderbarer Musiker: Gwilym Simcock am Flügel inmitten des Stuttgarter Kammerorchesters im Europasaal des Zentrums. Foto: Harbach

Ein Konzert wie eine große Geburtstagfeier

Auch so etwas gibt es: Ein Konzert wie eine große Geburtstagfeier. Da steht man anfangs als Gast oft ein wenig herum, fühlt sich etwas verloren, leicht überfordert und weiß nicht so recht wohin. Man könnte es auch so formulieren: Zu Beginn einer solchen Feierlichkeit fremdelt man gerne eben noch ein wenig.

Ja, der Einstieg in diesen Konzertabend der Kulturfreunde Bayreuth sowie des Jazzforums Bayreuth mit dem walisischen Pianisten Gwilym Simcock und dem Stuttgarter Kammerorchester war nicht ganz einfach. „When time has told“, so der Titel des Werks mit dem Simcock und die Stuttgarter den Abend im Europasaal eröffneten. Eine Auftragskomposition Simcocks, ein Stück, das verheißungsvoll beginnt, dessen Bilderwelt sich jedoch relativ schnell erschöpft. Eine Musik, die quasi aus einem Flüstern heraus entsteht, dann zu einem eloquent eleganten Vortrag findet und sich dort, so zumindest der Eindruck, leider in Manierismen irgendwie festläuft, um dann wieder nach gefühlt zu langen Minuten genauso effektvoll wie gekonnt in Flüstern zu ersterben. - Schwierig.  

Furioses Finale

Wie gesagt, noch fremdelte man noch ein wenig. Andererseits, der Geburtstag hatte ja erst begonnen. Und mit der im Anschluss dargereichten Simple-Symphony op. 4 Benjamin Brittens gelangte man wieder in vertrautes Fahrwasser. Zumal das Stuttgarter Kammerorchester genau zu jenem Ton fand, den diese brillante viersätzige Komposition braucht, um den berühmten Funken zu schlagen. Da blitzte Witz, da blitzte Ironie auf, wie beispielsweise in dem etwas „too much“ der „Sentimental Sarabande“, des dritten Satzes. Das muss man erst einmal so hin bekommen! – Und dann dieses leichtfüßige, fast schon frech in den Saal gestellte furiose Finale – einfach herrlich! 

Pianistisches Feuerwerk

Danach war das Eis gebrochen - die Geburtstagsfeier, um im Bild zu bleiben, nahm nun richtig Fahrt auf. Denn Simcock präsentierte mit seiner Version des Bossa Nova Jazz-Standards “No more Blues” aus der Feder Antônio Carlos Jobims seine Zugabe quasi vorab. Ein in allen Belangen faszinierendes pianistisches Feuerwerk und dabei so leicht und locker aus der Hüfte geschossen – was für ein Spektakel!

 

Aber es wurde noch besser, denn die Bearbeitung Simcocks von Claude Debussys „Children Corner“ für Klavier und Streichorchester schoss endgültig den Vogel ab. Simcock schaffte es nämlich, den Tonfall Debussys ohne Abzüge in eine jazzige, hoch virtuose Tonsprache zu transferieren und trotzdem den Charakter dieser Ode an die Kindheit zu bewahren. Und das Ganze dann auch noch auf wundersam leicht anmutende, spielerische Weise. Diese „extended version“ war ein Genuss, zumal Simcock auch bei seinen geschickt in den musikalischen Kontext eingebetteten Improvisationen nicht über die Stränge schlug und bei aller Spielfreude ohrenscheinlich immer das große Ganze im Blick behielt. 

Apropos Spielfreude

Die Spielfreude war offensichtlich hoch virulent, denn die Stuttgarter gingen hier geradezu euphorisiert mit. Eine solch kollektive Freude am Musizieren bekommt man nicht alle Tage zu Gesicht, beziehungsweise, zu Gehör. Wie im Übrigen auch eine in den letzten Satz, jenem berühmten „Golliwogg’s cake-walk“, elegant eingebaute improvisierte Geburtstagsadresse Simcocks an eine Violinistin des Orchesters eher ungewöhnlich ist. Aber irgendwie auch sinnbildlich für diesen außergewöhnlichen Konzertabend war. Entsprechend reagierte auch das enthusiasmierte Publikum: Rauschender Applaus und zahlreiche Bravorufe.